Zwei Mieter stehen im Mietvertrag, doch mit der Zeit wird die Wohnung immer voller. Kinder werden geboren oder die nahe Verwandtschaft zieht ein. Ein undankbares Thema für jeden Hauseigentümer und Verwalter. Die Wohnungsnachbarn beschweren sich über den Lärm der Kinderschar oder das Kommen und Gehen der zahlreichen Mitbewohner. Was tun? Wie ist die Rechtslage? Wann ist eine Wohnung überbelegt?
Lebenspartner, entfernte Verwandte, Freunde und Bekannte
Die dauernde Aufnahme von Fremden, entfernten Verwandten oder Freunden muss der Vermieter nicht hinnehmen. Er ist grundsätzlich nur verpflichtet, die im Mietvertrag bezeichneten Personen in der Wohnung zu dulden. Dritte, die im Mietvertrag nicht als Mieter bezeichnet sind, muss er erst einmal nicht akzeptieren. Eine Ausnahme gesteht das Gesetz dem Mieter nur dann zu, wenn ein berechtigtes Interesse geltend gemacht wird, eine dritte Person in die Wohnung aufzunehmen, die bekannte Untervermietung.
Achtung! Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnerschaften sowie Lebensgefährten (Freund oder Freundin). Bei der Aufnahme eines Lebensgefährten benötigt der Mieter auch die Zustimmung des Vermieters, die der Vermieter nur in seltenen Fällen verweigern kann. Die Verweigerung der Zustimmung wäre jedoch zum Beispiel möglich, wenn durch die Aufnahme des Lebensgefährten und der dazugehörigen Kinder eine Überbelegung gegeben wäre.
Grundsätzlich gilt, wenn ein Mieter unberechtigt eine Untervermietung oder die unentgeltliche Aufnahme weiterer Personen vornimmt, kann der Vermieter eine Unterlassungsklage gemäß § 541 BGB anstrengen. Erfährt der Vermieter zum Beispiel, dass ein Mieter tatsächlich seine Wohnung untervermietet, ohne vorher um Erlaubnis gefragt zu haben, empfiehlt sich eine Abmahnung mit der ausdrücklichen Aufforderung, das Untermietverhältnis zu beenden. Auch der Hinweis auf eine Unterlassungsklage gemäß § 541 BGB sollte in dem Schreiben nicht fehlen. Führt dies nicht zum Erfolg, kann er kündigen.
Verwandte, Hausangestellte und Pflegepersonal
Hiervon zu unterscheiden ist die Aufnahme von engen Verwandten (Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, Kinder, pflegebedürftige Eltern oder Geschwister), Hausangestellten oder Pflegepersonal. Bei diesem Personenkreis benötigt der Mieter nicht die Zustimmung des Vermieters, er erfährt sogar oft nicht, dass der Mieter weitere Personen in den Haushalt aufgenommen hat.
Die Problematik „Überbelegung der Mietwohnung“ betrifft deshalb oft nur die Fälle, in denen sich durch hauptsächlich nahe Verwandte oder Geburten die Mieterzahl einschneidend erhöht. Einschreiten kann der Vermieter hier erst, wenn eine Überbelegung vorliegt.
Das sagt die Rechtsprechung
Aktuell fokussiert die Rechtsprechung darauf, dass für jede Person etwa acht bis zehn Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung stehen sollten. Überbelegung heißt: die Werte sind unterschritten. Dieser allgemeine Grundsatz wird durch die Wohnungsaufsichtsgesetze der Bundesländer konkretisiert, die vor Ort gelten.
Bayern - Mindestens zehn Quadratmeter Wohnfläche müssen für jede Person bereitstehen. Für Kinder bis sechs Jahren reichen sechs Quadratmeter. Einzelne Wohnräume dürfen nur ab sechs Quadratmetern einer Person dann überlassen werden, wenn ausreichend Nebenräume zur Mitbenutzung zur Verfügung stehen. Wenn eines der beiden Kriterien nicht eingehalten wird. gilt die Wohnung als überbelegt. Dann muss die Gemeinde - in der Regel auf Veranlassung des Vermieters - entscheiden, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt so viele Bewohner die Wohnung zu räumen haben, dass beide Kriterien erfüllt werden. Stehen familiäre Belange der Räumung einzelner Bewohner entgegen, kann die Gemeinde verlangen, dass alle Bewohner ausziehen.
Hessen - Für jede Person müssen neun Quadratmeter Wohnfläche verfügbar sein. Sechs Quadratmeter reichen, wenn es - wie in Bayern - Nebenräume zur gemeinsamen Benutzung gibt. Die Gemeinde kann bei Überbelegung, wenn gegen eines der beiden Kriterien verstoßen wird, die Räumung zu einem von ihr festgelegten Zeitpunkt verlangen. Diese Forderung muss sie an namentlich benannte Bewohner richten. Zu berücksichtigen sind besondere persönliche und familiäre Verhältnisse der Bewohner.
Berlin - Pro Person sollen neun Quadratmeter bereitstehen - für Kinder sechs Quadratmeter. Einzelne Wohnräume können sechs Quadratmeter - für Kinder vier Quadratmeter - haben, wenn genügend Nebenräume gemeinsam benutzbar sind. Die zuständige Behörde - das Bezirksamt - kann die Räumung wegen Überbelegung vom Verfügungsberechtigten verlangen (derjenige, der den Mietvertrag unterschrieben hat) oder von den Bewohnern. Der Zeitpunkt des Einzugs und familiäre sowie persönliche Verhältnisse werden berücksichtigt.
Was sollte der Vermieter zur Beweisdarlegung im Streitfall bereithalten?
Hilfreich sind Auszüge aus dem Melderegister, detaillierte Aufzeichnungen über das Kommen und Gehen der Mitbewohner in der betreffenden Mietwohnung und natürlich eventuelle Störungen des Hausfriedens. Diese Angaben benötigt der Vermieter, wenn er die Gemeinde, Kommune oder den Stadtbezirk einschaltet, um die Überbelegung seiner Mietwohnung zu beweisen. Die Behörde muss gegen die Überbelegung vorgehen. Sie kann im ersten Schritt jedoch auch ein Bußgeld verhängen und muss nicht sofort auf das Verlangen des Vermieters eingehen, einen Teil der Bewohner aus der Mietwohnung zu räumen.
Was kann der Vermieter tun, wenn die Wohnung überbelegt ist?
Kann der Vermieter beweisen, dass eindeutig gegen das in seinem Bundesland geltende Wohnungsaufsichtsgesetz verstoßen wird und gelingt es ihm nicht, die zuständige Behörde zum Handeln zu bewegen, kann er prinzipiell fristlos oder ordentlich kündigen. In der Rechtspraxis wird aber die fristlose Kündigung nur schwer durchsetzbar sein.
Das sind die wichtigsten Fälle der Rechtsprechung zum Thema
Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in NJW, 1987, S. 1952
Ein Ehepaar wohnt mit kleinem Sohn in einer 54 qm großen Wohnung (zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon). Die Personenzahl vergrößerte sich auf acht Personen, weil fünf Kinder geboren wurden. Der Vermieter mahnte wegen Überbelegung ab. Es erfolgte keine Reaktion der Mieter. Daraufhin kündigte der Vermieter fristlos wegen erheblicher Überbelegung.
Entscheidung des Gerichts: Die fristlose Kündigung des Vermieters war wirksam.
Urteil des AG Stuttgart (37 C 5827/10)
Die Belegung einer 64 qm großen Wohnung mit acht Personen (sechs Kinder) kann eine Überbelegung darstellen und im Einzelfall die ordentliche Kündigung des Vermieters rechtfertigen - nicht die fristlose. Die Räumungsfrist wurde hier vom Gericht mit sechs Monaten festgelegt, bezogen auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündigung. In diesem konkreten Fall kamen noch Mietschulden der Mieter hinzu.
Urteil des AG München, Urteil v. 29.4.2015, 415 C 3152/15
In einer Ein-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von knapp 26 Quadratmetern lebten 2013 vier Personen: Der Mieter, seine Ehefrau und seine 2010 und 2013 geborenen Kinder.
Im Mietvertrag von 2011 war festgehalten: „Aufgrund der geringen Größe der Wohnung ist der Mieter nicht berechtigt, eine weitere Person auf Dauer in die Wohnung aufzunehmen, soweit es sich hierbei nicht um die Ehefrau des Mieters bzw. den Ehemann der Mieterin handelt.“
Nachdem die Hausverwaltung den Mieter erfolglos augefordert hatte, die Anzahl der in der Wohnung lebenden Personen zu reduzieren, kündigte der Vermieter den Mietvertrag. Die Kündigung war wirksam. Der Mieter hat durch die Überbelegung der Wohnung gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen.
Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofes (BGH) in: ZMR 1993, S. 508
Der Vermieter darf nicht allein wegen einer Überbelegung der Mietwohnung kündigen, wenn für ihn keine weiteren Umstände vorliegen, die ihn als Vermieter erheblich beeinträchtigen.
Dieses Urteil ist in der Praxis leider wenig nützlich, weil es eine Frage der Wertung ist, was eine erhebliche Beeinträchtigung wäre. Ein solcher Fall wird garantiert von Gerichten unterschiedlich entschieden - es gibt keine aktuellen Urteile hierzu. Das Risiko für den Vermieter eine solche Klage zu verlieren, ist groß. Gründe für eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung wegen Überbelegung wären:
- Die Bausubstanz der Mietwohnung ist gefährdet.
- Die Überbelegung wirkt sich störend auf den Hausfrieden aus.
In diesen beiden Fällen müssen dann die Vermieterrechte im einzelnen konkret erheblich verletzt sein. Betriebskostenfälle würden nicht als Räumungsgrund zählen, weil sie angepasst werden könnten.
Wie kann der Mieter gegen die Kündigung wegen Überbelegung vorgehen?
Der Mieter kann eine Forderung des Vermieters dann erfolgreich zurückweisen, wenn der Grund sich auf minderjährige Kinder bezieht, die zur Überbelegung führten. Artikel 6 des Grundgesetzes fordert, dass die Familie und damit die Kinder einem besonderen Schutz unterliegen - auch, weil es für den Mieter möglicherweise schwer ist, ausreichend großen und preiswerten Wohnraum als Ersatz zu finden. Wegen der verschlechterten Wohnungsmarktlage stellen aktuell die Gerichte immer strengere Anforderungen an eine Begründung der Überbelegung wegen zu vieler Kinder in der Familie des Mieters.