Mit der Schaffung des § 554a BGB Barrierefreiheit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass viele Menschen nur durch einen behindertengerechten Umbau ihrer Wohnung oder des Treppenhauses in ihrem gewohnten Umfeld weiter leben können. Vorlage war die „Treppenliftentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2000 (WuM 2000 298 = NZM 2000, 539).
In dem zu entscheidenden Fall forderte eine querschnittsgelähmte Mieterin, die im 2. Obergeschoss eines Mietshauses wohnte, von ihrem Vermieter die Zustimmung zum Bau eines Treppenlifts. Das Bundesverfassungsgericht bejahte den Anspruch der Mieterin auch unter Hinweis auf Artikel 3 des Grundgesetzes. Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden.
Anwendungsbereich, berechtigtes Interesse, Zustimmungsanspruch des Mieters
§ 554a BGB gibt dem behinderten Mieter bei Vorlage eines berechtigten Interesses einen Rechtsanspruch gegen den Vermieter zur Durchführung von baulichen Maßnahmen oder dem Einbau von sonstigen Einrichtungen an die Hand. Dies gilt jedoch nur für den Wohnraummieter.
Ein berechtigtes Interesse liegt regelmäßig immer dann vor, wenn durch die Maßnahme eine Behinderung abgebaut oder geschmälert werden kann, um dem behinderten Mieter die uneingeschränkte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Eine bloße Annehmlichkeit reicht nicht aus.
Vor Beginn der Maßnahme muss der Mieter die Zustimmung seines Vermieters einholen!
Definition des Begriffs Behinderung
Der Begriff Behinderung richtet sich nicht nur allein nach der Definition des Schwerbehindertengesetzes. Eingeschlossen ist auch die immer größer werdende Gruppe der älteren Menschen (Schmidt-Futterer/Eischenschmid § 554a BGB Rn 8). Unerheblich ist der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Behinderung oder ein Eigenverschulden des Mieters.
Bauliche Maßnahme, sonstige Einrichtungen
Der behindertengerechte Umbau umfasst bauliche Veränderungen innerhalb der Wohnung (behindertengerechtes Bad, ebene Türschwellen, Türverbreiterungen um nur einige Beispiele zu nennen), aber auch, falls notwendig, Maßnahmen außerhalb der Wohnung (Treppenlift). Unter die sonstigen Einrichtungen fallen alle Maßnahmen, die keine umfangreichen baulichen Veränderungen erfordern (zum Beispiel Haltegriffe).
Der Staat beteiligt sich mit einer nicht unerheblichen Summe an notwendigen Umbauten in- und außerhalb der Wohnung, wenn Pflegebedürftigkeit festgestellt ist. Über die Zuschussmöglichkeiten wohnumfeldverbessernder Maßnahmen finden Sie auf der Seite Pflege durch Angehörige zahlreiche Tipps.
Zustimmungsversagung des Vermieters
Der Vermieter kann seine Zustimmung nur verweigern, wenn seine Interessen schwerer wiegen, als die Interessen des behinderten Mieters. Zu nennen sind der Umfang und die Dauer der baulichen Maßnahmen, die Genehmigungsfähigkeit, die Belange der anderen Mieter, die Rückbaumöglichkeiten, fehlende Sicherheitsleistungen des Mieters oder Haftungsgesichtspunkte. Versagt der Vermieter seine Zustimmung, bleibt dem Mieter nur der Gang zum Amtsgericht.
Zu leistende Sicherheiten
- Ohne angemessene Sicherheitsleistung keine Zustimmungspflicht des Vermieters. Der Verweis des Mieters auf die gezahlte Kaution ist nicht statthaft. Der Gesetzgeber verweist in Absatz 2 eindeutig auf die Stellung einer „zusätzlichen“ Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.
- Die Art der zu leistenden Kaution ist Verhandlungssache zwischen Mieter und Vermieter. Fehlt eine Vereinbarung, hat der Mieter die Wahl: Barzahlung, Bürgschaft, Verpfändung oder Verpflichtungserklärung des Sozialamtes (Schmid-Futterer/Eisenschmid § 554a Rn 53, 55).
- Die Höhe der Kaution richtet sich nach den voraussichtlichen Rückbaukosten, es gibt keine Begrenzung analog zu § 551 Abs. 1 BGB (Mietsicherheit). Im Streitfall liegt die Beweislast zur Höhe der Rückbaukosten beim Vermieter (LG Hamburg ZMR 2004, 914).
- Die Sicherheit ist ohne anderslautende Vereinbarung, vor Beginn der Maßnahme fällig und vom Vermieter getrennt von seinem Vermögen anzulegen (§ 554a Abs. 2 Satz 2 BGB).
Exkurs Treppenlift: Der Rückbau eines Treppenlifts kann eine teure Angelegenheit werden. Die notwendigen Sicherheiten wollen oder können viele Mieter nicht aufbringen. Findige Firmen bieten deshalb die Übernahme der Rückbaukosten kostenfrei an. Für den Mieter verbleibt so nur ein kleiner Selbstbehalt von einigen hundert Euro. Darauf muss sich der Vermieter nicht einlassen. Das AG Pankow/Weißensee (Urteil vom 11.10.2012, 3 C 181/12) stellte sich auf die Seite eines Vermieters, der sich weigerte, die Sicherheit einer Treppenliftfirma zum kostenfreien Rückbau zu akzeptieren. Es führte aus, dass es dem Vermieter nicht zuzumuten ist, das Insolvenzrisiko eines Dritten Schuldners zu übernehmen, den er sich nicht selbst als Vertragspartner ausgesucht hat.
Die vermietete Eigentumswohnung
Oft eine heikle Angelegenheit, wenn die baulichen Maßnahmen sich nicht auf das Wohnungsinnere beschränken. Der Einbau eines Treppenliftes oder die Anbringung einer Rampe, betreffen das gemeinschaftliche Eigentum. Da die äußere Gestalt des Gemeinschaftseigentums betroffen ist, handelt es sich um eine bauliche Veränderung, zu der die Eigentümer ihre Zustimmung geben müssen. Der vermietende Eigentümer muss dies zu einem Tagesordnungspunkt auf der Eigentümerversammlung machen und versuchen, den Rechten seines Mieters Gehör zu verschaffen.
Auch der Bundesgerichtshof ist mittlerweile auf der Seite der Mieter einer Eigentumswohnung. In zwei Urteilen beschäftige er sich mit dem Einbau eines Personenaufzugs sowie dem Bau einer Rampe als barrierefreien Zugang.