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Wie ein Ikea-Regal hilft, die Mietpreisbremse zu umgehen
40 qm, 1.500 Euro warm. Das Inserat wirkt wie ein Witz – ist aber längst Realität in deutschen Großstädten. Die Erklärung? Möblierte Vermietung. Was früher die Ausnahme für Geschäftsreisende war, ist heute ein beliebter Trick, um gesetzliche Mietpreisregeln zu umgehen. Doch was steckt dahinter – und wo wird’s illegal?
📈 Möblierter Boom: Die Zahlen
Laut einer Auswertung von ImmoScout24 hat sich der Anteil möblierter Mietwohnungen in deutschen Großstädten seit 2018 deutlich erhöht:
• In Berlin ist der Anteil möblierter Angebote von 13 % auf 51 % gestiegen – mehr als jede zweite Wohnung.
• Die Mieten für möblierte Wohnungen stiegen bundesweit um rund 45 %, in Köln sogar um über 100 %.
• Bundesweiter Durchschnittspreis 2022: 22,50 €/m² möbliert, 9,32 €/m² unmöbliert.
Quelle: ImmoScout24, Medieninformation vom 03.03.2022
💼 Warum möbliert vermieten so attraktiv ist
• Höhere Mieteinnahmen durch Pauschalen und Möblierungszuschlag
• Befristete Mietverhältnisse bedeuten mehr Flexibilität für Vermieter
• Umgehung der Mietpreisbremse, wenn als „vorübergehender Gebrauch“ deklariert
⚖️ Grauzone Kurzzeitmiete
Die Mietpreisbremse (§ 556d BGB) gilt nicht, wenn eine Wohnung nur vorübergehend vermietet wird – z. B. an Expats, Studierende oder Berufspendler. Genau hier entsteht die Grauzone, die viele Anbieter ausnutzen.
📎 Mehr dazu: Schlupfloch Kurzzeitvermietung
🧭 Was ist erlaubt – und wo wird’s kritisch?
Möblierungszuschlag
✅ Ja, wenn nachvollziehbar und bezifferbar
⚠️ Kritisch bei pauschalen Fantasiebeträgen
❌ Unzulässig, wenn Möblierung nur vorgeschoben ist
Mietpreisbremse
✅ Gilt bei regulärer Vermietung
⚠️ Ausgesetzt bei vorübergehendem Gebrauch
❌ Missbrauch durch Schein-Kurzzeitmiete
Pauschalmiete
✅ Erlaubt bei echter Serviceleistung (z. B. Reinigung)
⚠️ Problematisch bei Intransparenz
❌ Unzulässig bei künstlich aufgeblähtem Preis
Leihe oder Mitvermietung? Das macht rechtlich den Unterschied!
Viele Vermieter denken, sie könnten mit einem einfachen Zusatz „zur Nutzung überlassen“ Reparaturkosten auf den Mieter abwälzen. Doch so einfach ist es nicht.
Mitvermietung: Wenn Möbel oder Geräte Bestandteil der Mietsache sind (also „mitvermietet“ werden), trägt der Vermieter die Instandhaltungspflicht. Das heißt: Ist der Herd oder die Waschmaschine kaputt, muss der Vermieter reparieren oder ersetzen. Fällt ein wichtiges Gerät aus, kann der Mieter unter Umständen sogar die Miete mindern.
Leihe: Wird ein Gegenstand dagegen leihweise überlassen (nach § 598 BGB), ist der Vermieter nicht zur Reparatur verpflichtet. Der Mieter darf ihn nutzen, trägt aber das Risiko bei Verschleiß. Wichtig: Die Leihe muss ausdrücklich im Mietvertrag stehen und der Gegenstand darf nicht Teil der Miete sein.
Beispielformulierung: „Die Einbauküche wird dem Mieter unentgeltlich zur Nutzung überlassen. Sie ist nicht Bestandteil der Mietsache.“
Achtung: Bei möblierten Wohnungen ist die Unterscheidung schwierig – wird die Möblierung mitvermietet, greift automatisch wieder die Pflicht des Vermieters zur Instandhaltung.
🔍 Wucher bei Mieten: Was sagt § 138 BGB eigentlich?
Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt.
… insbesondere bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in Verbindung mit einer Ausbeutung der Schwächelage einer Partei.
Auf Miete übertragen heißt das:
Die Miete muss mindestens 40–50 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, und
der Vermieter muss eine Zwangslage, Unerfahrenheit o. Ä. des Mieters bewusst ausnutzen.
Beides muss bewiesen werden, was im echten Leben richtig schwer ist.
🔍 Wucher bei Kurzzeitmieten
40 qm für 1.500 Euro – gesetzlich möglich? Ja. Denn bei Kurzzeitmiete greift die Mietpreisbremse nicht. § 138 BGB könnte zwar helfen – aber nur in extremen Ausnahmefällen.
💡 Realitätscheck: Solange „vorübergehender Gebrauch“ geltend gemacht wird und pauschale Leistungen enthalten sind, ist ein Wuchervorwurf kaum durchsetzbar.
🔍 Wucher bei unbefristeter Miete
Auch bei Dauervermietung ist Wucher kaum greifbar. Es reicht nicht, wenn die Miete 50 % über der ortsüblichen liegt. Der Vermieter muss zusätzlich eine Zwangslage ausnutzen.
💡 Realitätscheck: Ohne klar nachweisbare Ausbeutung (z. B. Obdachlosigkeit) hat ein Mieter mit Wuchervorwurf schlechte Karten.
Fazit: Selbst überhöhte Mieten sind nicht automatisch Wucher!
Bei unbefristeten Mietverträgen kann § 138 BGB nur in Extremfällen angewendet werden. Ein deutlich überhöhter Mietpreis reicht nicht – es muss auch eine bewusste Ausnutzung einer Zwangslage vorliegen. Das macht Wucherverfahren im Mietrecht zu einer rechtlichen Notbremse, die selten greift.
Beispielhafte BGH-Entscheidungen
BGH, Urt. v. 13.04.2005 – VIII ZR 44/04: Ein Aufschlag von mehr als 100 % über der ortsüblichen Miete kann Wucher sein, wenn zusätzlich eine schwache Verhandlungsposition des Mieters ausgenutzt wurde.
BGH, Urt. v. 20.04.2005 – VIII ZR 54/04: Ein Mietzuschlag von 70 % war nicht sittenwidrig, weil keine Zwangslage nachgewiesen werden konnte.
Checkliste für Mieter: Möblierte Wohnung – fair oder Falle?
📍 Ist die Miete nachvollziehbar?
• Liegt sie deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete? Dann sollten Sie kritisch prüfen, ob der Zuschlag gerechtfertigt ist.
• Gibt es eine Aufschlüsselung für Möblierung, Nebenkosten und Serviceleistungen?
📍 Sind Mietdauer und Zweck klar definiert?
• Handelt es sich um eine befristete Kurzzeitmiete? Dann greift die Mietpreisbremse nicht – aber das muss im Vertrag deutlich angegeben sein.
• Wollen Sie wirklich nur „vorübergehend“ wohnen – oder eher langfristig?
📍 Was genau ist mitvermietet – und in welchem Zustand?
• Ist eine vollständige Inventarliste beigefügt?
• Sind Schäden oder Gebrauchsspuren dokumentiert und fotografiert?
📍 Wer zahlt bei Defekten?
• Wird z. B. die Waschmaschine als Teil der Wohnung mitvermietet? Dann ist der Vermieter zur Reparatur verpflichtet.
• Vorsicht bei unklaren Formulierungen wie „zur Nutzung überlassen“ – das kann heißen: Sie zahlen im Zweifel selbst.
📍Gibt es Auffälligkeiten im Vertrag?
• Stehen dort unangemessene Vertragsstrafen, nicht nachvollziehbare Pauschalen oder einseitige Pflichten?
• Wurde die Höhe der Miete frei vereinbart, ohne Bezug zum Mietspiegel?
💬 Tipp:
Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie den Mietvertrag vorab prüfen – z. B. durch den Mieterverein oder eine Verbraucherzentrale. Und: Bei überteuerten Mieten lohnt sich oft ein Blick auf die Mietpreisbremse oder § 138 BGB (Wucher) – auch wenn's mühsam ist.
🔗 Weiterführende Artikel
• Schlupfloch Kurzzeitvermietung
• Mietpreisbremse: Was wirklich gilt
Politische Initiativen zur Regulierung möblierter Vermietungen
Die Bundesregierung plant, die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten bis zum 31.12.2029 zu verlängern. Zudem soll eine Expertenkommission bis Ende 2026 Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mietenregulierung erarbeiten, einschließlich möglicher Bußgeldvorschriften für Verstöße gegen die Mietpreisbremse .
Darüber hinaus sieht der Koalitionsvertrag vor, dass möblierte Wohnungen und Kurzzeitvermietungen künftig erweiterten Auflagen unterliegen sollen, um Missbrauch zu verhindern (BR24).
Ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz zielt darauf ab, die Umgehung der Mietpreisbremse durch möblierte Vermietung zu erschweren. Der Deutsche Mieterbund begrüßt diesen Entwurf und fordert eine zügige Umsetzung.