Individualvereinbarungen im oder zum Mietvertrag

Spezifische längere Abreden sind mit den gängigen Standardmietverträgen aus Platzgründen oft nicht umsetzbar, hier müssen individuelle Vereinbarungen zwischen den Mietparteien getroffen werden. Ob eine Regelung in einem Mietvertrag oder auf einem zusätzlichen Blatt Papier individuell zwischen Mieter und Vermieter vereinbart wurde oder eine vorformulierte Bedingung darstellt, ist im Streitfall von erheblicher rechtlicher Bedeutung und die Richter schauen hier genau hin. 

Dafür spricht nicht nur die Vielzahl von Gerichtsurteilen, die sich mit der Frage "individuelle Vereinbarung oder nicht?" befassen. Denn wenn eine Vereinbarung nicht den richterlichen Stempel "individuelle Abrede" bekommt, bedeutet dies die Geltung der §§ 305 ff. BGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen, kurz AGB). Es finden dann die gesetzlichen Regelungen Anwendung. Was in der individuellen Vereinbarung steht, wird in diesen Fällen völlig bedeutungslos. 

Individualvereinbarungen müssen ausgehandelt werden

Grundsätzlich gilt: Eine Individualvereinbarung liegt immer vor, wenn ein konkreter Regelungsgegenstand zwischen den Vertragsparteien GEMEINSAM AUSGEHANDELT wurde - und nicht von der einen Partei lediglich zur Unterschrift vorgelegt wurde. Denn während Mieter in der Regel nicht auf die Verhandlungen vorbereitet sind, lohnt sich für Vermieter mit vielen Mietobjekten oft die Belegung spezieller Verhandlungstrainings, die ihnen bei Mietvertragsunterzeichnungen oft zusätzliche Vorteile verschaffen.

Was ist mit handschriftlichen Anmerkungen im Mietvertrag?

Wie sieht es nun aus mit eventuell sogar handschriftlich hinzugefügten Klauseln in einem Mietvertrag oder auf einem gesonderten Blatt? Ein Indiz für Individualvereinbarungen können natürlich auch nachträgliche Hinzufügungen sein. Sprechen diese Abweichungen vom Vorgedruckten nicht dafür, dass in diesem Fall eine Individualvereinbarung gegeben ist? Die beliebteste Juristen-Antwort stimmt auch hier: Es kommt darauf an. Die Rechtsprechung stellt immer darauf ab, ob der Mieter die Chance hatte, auf diese Klausel Einfluss zu nehmen - dass sie ihm also konkret zur Disposition gestellt wurde. Dies ist aber nicht der Fall, wenn ein Mietvertrag unterschriftsreif vorgelegt wird.


Ein Tipp für Vermieter: Vermeiden Sie ein und denselben Regelungsgegenstand im Mietvertrag und in der Individualvereinbarung zu behandeln. Streichen Sie die Klausel im vorgedruckten Formular und regeln Sie das Thema insgesamt gesondert.


Im Streitfall sieht es für den Vermieter gut aus, wenn

  • die Regelung auf Wunsch des Mieters in den Vertrag aufgenommen wurde (BGH, Az. VIII 257/04),
  • der gesamte Inhalt einer Bestimmung auf das individuelle Vertragsverhältnis der Parteien abgestimmt ist (OLG Düsseldorf, Az. I-10 U 91/10),
  • der Vermieter zuerst einen „ersten Entwurf“ mit der Bitte um Kenntnisnahme und Prüfung zusendet und es anschließend zu weiteren Gesprächen und zu Änderungen und Ergänzungen des ursprünglichen Entwurfs kommt (OLG Köln, Az. 22 U 139/03),
  • ein vom Vermieter vorgelegtes Vertragsmuster in allen Details besprochen wird und bei diesen Verhandlungen zahlreiche Streichungen, Änderungen und handschriftliche Ergänzungen im Vertragstext vorgenommen werden (LG Berlin, Az. 32 O 258/13).

Im Streitfall sieht es für den Mieter gut aus, wenn

  • die Regelung bereits vorformuliert ist, also vom Vermieter gestellt ist und der Mieter nur noch unterschreiben muss,
  • die Klausel in mehreren Verträgen verwendet wird, 
  • die Vereinbarung mehrere Alternativen enthält, von denen der Mieter lediglich eine angekreuzen muss, 
  • die Klausel zwar in jedem Vertrag etwas anders formuliert ist, der Sinngehalt ist aber immer derselbe.

Der Mieter muss beweisen, dass keine individuelle Vereinbarung vorliegt

Zwar muss der Mieter, wenn er sich auf die Geltung der § 305 ff. BGB beruft, auch beweisen, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Wenn jedoch ein ein vorgefertigtes Formular vorliegt, spricht schon ein Anscheinsbeweis für vorformulierte Vertragsklauseln, also AGB. Dasselbe gilt auch, wenn die Indivialvereinbarung handschriftlich auf einem gesonderten Blatt Papier verfasst wurde. Kann der Mieter nachweisen, dass die handschriftliche Individualvereinbarung auch bei den Nachbarn im Haus anzutreffen ist und zwar ohne Unterschiede, muss der Vermieter diesen vorliegenden Anscheinsbeweis entkräften, was oft schwerfällt.


Ein Tipp für Mieter: Die Verwendung gleichlautender Formulierungen in einer Vielzahl von unabhängigen Mietverträgen spricht eindeutig für AGB! Schauen sie im Zweifelsfall in die mietvertraglichen Unterlagen ihrer Nachbarn, wenn die sie lassen.


 

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Individualvereinbarungen zu den Schönheitsreparaturen und einer Endrenovierung

Das hören wir oft von unseren Eigentümern: Der Mieter soll die laufenden Schönheitsreparaturen durchführen und selbstverständlich die Wohnung komplett bei Auszug renovieren, egal wie lange er dort gewohnt hat und wie der dekorative Zustand der Wohnung ist. Die Quadratur des Kreises!

Auf der Suche nach einer Strategie, die Renovierungspflicht vor dem Auszug des Mieters rechtsgültig festzulegen und gleichzeitig die laufenden Schönheitsreparaturen auf den Mieter abzuwälzen, versuchen deshalb viele Vermieter aus der Endrenovierungspflicht eine Individualvereinbarung zu zimmern und berufen sich auf ein Urteil des BGH (VIII ZR 71/08) aus dem Jahr 2008. Demnach sind Vereinbarungen bei der Übergabe der Wohnung, die in das Übergabeprotokoll aufgenommen werden, gesondert zu betrachten. Gerade die Situation der Übergabe der Wohnung sei geeignet, Pflichten individuell auszuhandeln, sagen die Richter des Bundesgerichtshofes.

Die schriftliche Fixierung einer Endrenovierungspflicht in einem Übergabeprotokoll wird deshalb vom Bundesgerichtshof als wirksame Endrenovierungsklausel angesehen - sogar dann, wenn im eigentlichen Mietvertrag eine entsprechende unwirksame Klausel enthalten ist. Die bei der Übergabe der Wohnung ausgehandelte Vereinbarung gilt als zusätzliche individuelle Abrede zum Mietvertrag.

Treffen starre und deshalb unwirksame Formularklauseln zur Vornahme der laufenden Schönheitsreparaturen und der Endrenovierung durch den Mieter mit einer später bei Einzug individuell vereinbarten Übernahme der Endrenovierungspflicht durch den Mieter zusammen, unterliegt die Individualvereinbarung weder der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB noch wird sie gemäß § 139 BGB von der Unwirksamkeit der Formularklausel erfasst (BGH, Urteil vom 14. Januar 2009 - VIII ZR 71/08)


Achten sie deshalb als Mieter darauf, was sie neben der Feststellung zum dekorativen Zustand im Übergabeprotokoll zur Mietwohnung noch unterschreiben. 


 

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