Eigenbedarfkündigung von Wohnraum zur beruflichen Nutzung

Jahrelang hat der Bundesgerichtshof das Recht des Vermieters auf angemessene Verwertung seines Eigentums herangezogen, um Kündigungen von Wohnraummietverträgen auch dann zu ermöglichen, wenn der Eigentümer die Wohnräume anschließend beruflich verwenden will. In dem Rechtsstreit, den der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen VIII ZR 45/16 zu entscheiden hatte, stand dem Interesse des Mieters, der die umkämpfte Wohnung seit mehr als 30 Jahren bewohnt hatte, das Interesse des neuen Vermieters gegenüber, die Wohnräume geschäftlich zu nutzen, weil er im selben Haus bereits Geschäftsräume eingerichtet hatte. Der Eigentümer führte an, dass Erweiterungsbedarf bestehe, den er nur durch den Ankauf der an den späteren Beklagten vermieteten Wohnung decken könne. Ausweichräume stehen ihm nicht zur Verfügung.

 

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Zweckentfremdungsverbot verhindert Kündigung

Das Amtsgericht Charlottenburg und das Landgericht Berlin wiesen in den Vorinstanzen die Klage ab, obwohl sie, bezogen auf die bisher bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vom Bestehen eines Kündigungsgrundes ausgingen. Anlass für die Klageabweisung war die in Berlin geltende Gesetzeslage, die zur Zeit des Kündigungsausspruchs eine Zweckentfremdung von Wohnraum im betroffenen Bereich nicht zulässt. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung wäre das Vorliegen einer Zweckänderungsgenehmigung gewesen. Daran änderte es auch nichts, dass die Richter von einem berechtigten Interesse des Vermieters ausgingen, das die Voraussetzungen des § 573 Absatz 3 BGB auch dann erfüllen sollte, wenn es sich nicht um Wohnbedarf, sondern um einen Bedarf an Geschäftsraum innerhalb der Familie handelt.

Bundesgerichtshof mit neuen Argumenten


Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof am 29.03.2017, für viele unerwartet, die Revision der Klägerin auch deshalb abgewiesen, weil kein Kündigungsgrund bestand. Zusätzlich zum Schutz durch das gesetzliche Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum wird der Mieter auch dadurch geschützt, dass der Bundesgerichtshof bei Eigenbedarfskündigungen zur beruflichen Nutzung von Räumen keinen generellen Vorrang des Vermieterinteresses mehr anerkennt.


Die Richter legten in der Begründung zu ihrer Entscheidung dar, dass die Absicht einer beruflichen Nutzung von bisher noch vermietetem Wohnraum einen Entschluss des Vermieters voraussetze, der zwischen der Absicht, die Wohnung selbst zu Wohnzwecken zu nutzen, und der Absicht sie eventuell durch Abriss oder Neugestaltung zu verwerten, steht. In den Fällen des § 573 Absatz 1 BGB, der Wohnnutzung durch den Eigentümer oder ein Familienmitglied, fällt die Interessenabwägung in der Regel zugunsten des kündigenden Eigentümers aus. Bei der reinen Verwertungsabsicht ist meistens der Mieter mit seinem Wohnbedarf in der besseren Interessenlage.

Ist berufsbedingter Raumbedarf der Kündigungsgrund, besteht zwar auch eine persönliche Bindung des Eigentümers zu den Räumen, auch wenn es nicht um vorrangig zu berücksichtigenden Wohnbedarf geht. Es ist jedoch ein Unterschied zum reinen wirtschaftlichen Verwertungsinteresse zu erkennen. In dem Spannungsbereich zwischen persönlichem Interesse des Eigentümers und rein materiellem Verwertungsinteresse muss sich die jeweilige Einzelfallprüfung bewegen.

Fazit: Abweichungen müssen für jeden einzelnen Fall erneut geprüft werden

Bei der Kündigung zur beruflichen Nutzung von Räumen ergibt sich nach Darstellung der Richter am Bundesgerichtshof, die sich intensiv mit dem Wortlaut und dem Zustandekommen des § 573 BGB auseinandergesetzt haben, eine Situation, die jeweils intensive und konkrete Einzelfallprüfungen erforderlich macht. Ein Vorrang für Eigentümerinteressen könne hier nicht in generalklauselartiger Form gewährt werden.

Der Gesetzgeber habe bei der Formulierung des § 573 BGB mit seinen alternativen Absätzen nicht die Absicht gehabt, eine Kündigung wegen beruflichen Raumbedarfes generell auszuschließen. Er hat allerdings den beruflichen Bedarf auch nicht ausdrücklich zum Bestandteil des Eigenbedarfs gemacht. Also ist es dem jeweils entscheidenden Gericht aufgegeben, in jedem Einzelfall die konkrete Interessenlage zu prüfen. Das Interesse des Mieters steht dabei jeweils fest. Persönliche Befindlichkeiten werden nicht berücksichtigt, sondern nur das Interesse am Fortbestand des Mietverhältnisses zur Sicherung des Lebensmittelpunkts.

Urteile

Wer eine Leistung nutzt, muss auch zahlen

Der Fall: Die Klägerin, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, nimmt den Mieter auf Bezahlung der Kosten für die Lieferung von Warmwasser, Kaltwasser, Abwasser und Fernwärme in Anspruch. Der Mieter ist seit 1997 Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Die Wohnung war bei Mietbeginn mit Kohleöfen ausgestattet. Sowohl für die Beschaffung des Brennmaterials als auch für die Warmwasseraufbereitung hatte der Mieter selbst zu sorgen. In § 1 Abs. 3 des Mietvertrages vom 16. Januar 1997 sind unter der Rubrik "Zum Mitgebrauch sind folgende gemeinschaftliche Anlagen und Einrichtungen vorhanden" die Alternativen "Zentralheizung / Fernwärme / Zentrale Warmwasserversorgung / Fernwärmeversorgung" gestrichen.

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