Das Sonderkündigungsrecht beim Stromanbieter, ein Überblick

sonderkuendigungsrecht strom stromzählerStromanbieter haben das Recht, ihre Preise aus tausenderlei Gründen zu erhöhen – Mieter dürfen darauf aber auch ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfristen reagieren.Gründe, um den Stromanbieter zu wechseln, gibt es für Mieter viele. Etwa, weil ein anderer Versorger bessere Konditionen bietet. Allerdings sind in diesen Fällen die üblichen Vertragslaufzeiten ausschlaggebend und erlauben keinen Wechsel „von heute auf morgen“. Gänzlich anders sieht es hingegen beim sogenannten Sonderkündigungsrecht nach § 41 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung aus. Das erlaubt es Mietern, unter bestimmten Bedingungen, den Vertrag mit ihrem Stromversorger schon vor Ablauf der regulären Vertragslaufzeit zu beenden. Warum Mieter diese Variante wählen sollten, wann sie möglich ist und wie es vonstattengehen sollte, erklärt der folgende Artikel.

 

1. Wann greift das Sonderkündigungsrecht?

Das wichtigste Dokument zur Aufschlüsselung einer Preiserhöhung des Stromanbieters ist eine Rechnung vom Vorjahr.Ausschließlich dann, wenn der Anbieter seine Strompreise erhöht hat. Allerdings nicht unbedingt pauschal: Wer ein solches Schreiben im Briefkasten liegen hat, muss zunächst überprüfen, was die Preiserhöhung verursacht hat, da sich der Strompreis aus sehr vielen verschiedenen Positionen zusammen setzt, auf die der Anbieter teilweise gar keinen Einfluss hat. Das sind zum Beispiel gestiegene Steuern (bspw. Stromsteuer, KWK-Aufschlag usw.), Netzkosten oder Posten wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei all diesen Punkten fällt die Option des Sonderkündigungsrechts unter Umständen aus: Viele Verträge enthalten nämlich einen Passus, laut dem das Sonderkündigungsrecht bei staatlich begründeten Preisanstiegen erlischt – allerdings halten die Verbraucherzentrale solche Passagen für nicht rechtens, sodass hier die Sachlage momentan etwas undurchsichtig ist.

Rechtlich absolut unstrittig sieht es hingegen aus, wenn der Versorger den Strompreis an sich verteuert hat – sofern kein Vertrag mit Preisgarantie besteht, hat er dazu durchaus das Recht. Um das herauszufinden, benötigen Mieter allerdings die letzte Rechnung. Anhand derer müssen nun die Unterschiede beim Grundpreis und dem Strompreis pro Kilowattstunde verglichen werden. Haben sich einer oder beide Rechnungspositionen zum Nachteil des Verbrauchers erhöht, ist das Sonderkündigungsrecht nutzbar.

2. Gilt das Sonderkündigungsrecht für jeden Mieter?

Nein. Das Sonderkündigungsrecht betrifft nur die Mieter, die den Vertrag mit dem Stromanbieter direkt abgeschlossen haben. Das lässt sich am einfachsten durch einen Blick in die Vertragsunterlagen feststellen, die auf den Mieternamen abgeschlossen sein müssen. Alternativ reicht es jedoch, einen Blick auf die im Haus vorhandenen Stromzähler zu werfen: Hat der Mieter einen eigenen Zähler, besteht mit höchster Wahrscheinlichkeit auch ein gesonderter Vertrag mit dem Anbieter. Wer mit dem Gedanken spielt, von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen, sollte bei diesem Gang gleich den Stand des Zählers und dessen Nummer notieren.

Für den Fall, dass die Stromversorgung über den Vermieter läuft und nicht über die einzelnen Mieter, bietet es sich dennoch an, sich mit dem Hausbesitzer in Verbindung zu setzen und mit ihm zusammen über einen Anbieterwechsel zu sprechen.

 

Sonderkündigungsrecht Grafik

 

3. Wie lang gilt das Sonderkündigungsrecht?

Liegt die Benachrichtigung über die Strompreiserhöhung im Briefkasten, sollten Mieter nicht lange zögern und sofort mit der Berechnung beginnen. Zwar hat der Anbieter nach § 5 der Stromgrundversorgungsordnung die Pflicht, Preiserhöhungen mindestens sechs Wochen vor ihrem Inkrafttreten anzukündigen, der Endkunde hat aber sehr viel weniger Zeit: Bei den meisten Verträgen gilt das Sonderkündigungsrecht nämlich nur während eines kurzen Zeitfensters von zwei Wochen.

4. In welcher Form sollte ich kündigen?

Bei einem regulären, fristgerechten Wechsel des Stromanbieters ist es angebracht und üblich, den neuen Versorger mit der Kündigung des Altvertrags zu beauftragen. Allerdings kann durch die extrem kurze Frist beim Sonderkündigungsrecht dessen Bürokratie schlicht zu langsam sein. Daher ist es in höchstem Maß angebracht, in diesen Fällen die Kündigung selbst in die Hand zu nehmen. Und zwar schriftlich und per Einschreiben mit Rückschein, damit der Anbieter sich nicht durch eine angeblich zu spät eingetroffene Kündigung herausreden kann.  Diese Form der Briefzustellung ist zwar nicht ganz billig, schützt aber effektiv und gilt auch bei etwaigen Rechtsstreits als Beweis. Ganz wichtig ist es, sich in dem Schreiben auf sein Sonderkündigungsrecht zu berufen. 

5. Was mache ich, wenn der Anbieter sich quer stellt?

In diesem Fall sollten Mieter nicht sofort in den Verteidigungsmodus schalten und ihren Anwalt verständigen, sondern eine Stufe tiefer beginnen: Zunächst sollte eine Beschwerde beim Versorger eingereicht werden. Dessen Form ist zwar de facto egal und kann auch telefonisch erfolgen, allerdings ist für eine bessere Nachweisbarkeit die schriftliche Form auch in diesem Fall angebrachter. Erst wenn das Unternehmen auf diese Beschwerde nicht binnen vier Wochen reagiert oder sie erneut abschlägig beantwortet, kann die nächste Stufe aktiviert werden:  Das Bundeswirtschaftsministerium hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verbraucherschutz die Schlichtungsstelle Energie ins Leben gerufen. Auf deren Webseite kann online ein Schlichtungsantrag ausgefüllt werden. Also beispielsweise eine Beschwerde darüber, dass der Anbieter das Sonderkündigungsrecht nicht anerkennen will. Die Schlichtungsstelle prüft dann die Sachlage und informiert beide Parteien, dass ein solches Verfahren eingeleitet wurde. Das räumt dem Anbieter eine dreiwöchige Frist ein, sich mit dem Mieter zu einigen. Diese Einigung hat den gleichen Wert wie ein zivilrechtlicher Vergleich, ist also bindend. Wird jedoch kein Ergebnis erzielt, spricht die Schlichtungsstelle eine Empfehlung aus. Und erst wenn dieser Weg keine Lösung erbrachte, sollten Mieter den weiteren Rechtsweg beschreiten. 

6. Kann ich bei so kurzen Fristen ohne Strom dastehen?

Nein: Selbst in dem Fall, dass der alte Vertrag nach dem Sonderkündigungsrecht beendet wurde, und der neue noch nicht in Kraft getreten ist, müssen Mieter in keinem Fall befürchten, in einer dunklen Wohnung sitzen zu müssen. In diesem Fall übernimmt der Grundversorger die Belieferung – selbst in dem Fall, dass er es war, dem der Vertrag außerhalb der Frist gekündigt wurde.

Fazit

Wenn der Anbieter seinen Strompreis erhöht, ist es in jedem Fall Zeit, sich nach einem neuen Versorger umzusehen. Auch wenn die rechtliche Lage bei Erhöhungen durch dritte Gründe (Steuern etc.) momentan etwas diffus ist, sollten Mieter bei jedem Preisanstieg von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen. Sollte dies nicht fruchten, stehen ja immer noch die regulären Kündigungsfristen und -wege zur Verfügung.

 

aktuelle Urteile

Möglicher Eigenbedarf - keine Informationspflicht des Vermieters

Der Vermieter ist weder verpflichtet von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sogenannte “Bedarfsvorschau“), noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. März 2013 - VIII ZR 233/12, NJW 2013, 1596).

Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Vermieter anlässlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. März 2013 - VIII ZR 233/12, NJ W 2013, 1596).

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