Was sollte ich bei einer Eigenbedarfskündigung zunächst prüfen?

Wenn ein Vermieter über seine Immobilie für sich selbst oder seine Familienangehörigen oder aus finanziellen wie gesundheitlichen Gründen verfügen will, genießt er grundsätzlich einen Anspruch auf Rückgabe. Jedoch steht er dabei gegenüber dem Mieter unter Darlegungspflicht und muss sein Ersuchen beim schriftlichen Kündigungsschreiben argumentativ begründen. Die Begründung muss einen für Gerichte relevanten Grund zum Gegenstand haben, ein bloßes Bekunden eines Wunsches hält vor dem Gesetz nicht stand und reicht im Streitfall den Richtern bei einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ersuchens nicht aus.

  1. Prüfen sie zunächst, ob die Eigenbedarfskündigung den formalen Ansprüchen genügt (Absender, Adressat, Wohnung, Widerspruchsklausel vorhanden) und rechnen sie nach, ob die Kündigungsfrist eingehalten wurde. Formale Mängel können hier schon zur generellen Unwirksamkeit der Kündigung führen.
  2. Die Mietwohnungen wurden nach ihrem Einzug in Eigentumswohnungen umgewandelt? Ihnen steht das Vorkaufsrecht für diese Eigentumswohnung zu.
  3. Anschließend sollten sie prüfen, ob der Vermieter in der Eigenbedarfskündigung die berechtigte(n) Person(en) nennt und die aufgeführten Gründe vernünftig und nachvollziehbar sind. Ist die die Wohnung für den genannten Zweck, den der Vermieter nennt, überhaupt geeignet?
  4. Liegt bei ihnen oder anderen in der Wohnung lebenden Personen eine soziale Härte nach § 574 BGB vor?
  5. Ist oder wird bis zum Ende der Kündigungsfrist eine vergleichbare Wohnung im Haus oder in der Wohnanlage des Vermieters frei?

 

Haben sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eigenbedarfskündigung, sollten sie unbedingt rechtlichen Rat einholen. Eine erfahrene Juristin wird die Risiken eines Rechtsstreits einschätzen können. Wenn sie überzeugt ist, dass eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, wird sie von diesem Weg abraten – sie ist als Organ der Rechtspflege dazu sogar verpflichtet.

 

Härtefälle

Auch wenn die Vermieterkündigung berechtigt ist, ist der Betroffene vor dem Gesetz nicht völlig chancenlos, gerade dann, wenn ein Wohnungsauszug für ihn eine unzumutbare Härte darstellen würde. Hier könnte die Rechtmäßigkeit einer Anwendung der Sozialklausel zutreffen, die der Gesetzgeber aus Mieterschutzgründen vor eventueller Willkür des Vermieters rechtlich verankert hat (574 BGB).

So können sich Mieter gegen die Kündigung wehren, wenn bei ihnen ein Härtefall vorliegt, zum Beispiel

  • schwere Krankheit
  • Gebrechlichkeit, hohes Alter, Invalidität
  • lange Mietdauer
  • bevorstehende Examen
  • Schwangerschaft
  • fehlender Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen

Gerade Schwangere oder ältere Personen, die bereits einen großen Teil ihres Lebens in einer Wohnung verbracht haben, haben vielversprechende Aussichten, richterlichen Zuspruch zu erhalten. Schwierigkeiten beim Kindergarten- oder Schulwechsel, Invalidität oder schwerwiegende, dauerhafte Erkrankungen genießen oftmals wohlwollenden Zuspruch vor den Augen des Gesetzes. Auch wenn Mieter beispielsweise einen bedürftigen Angehörigen betreuen und die Pflege nur vom Standort der Mietwohnung aus möglich ist, kann das Gericht darin einen Härtefall sehen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen. Auch das Fehlen angemessenen Ersatzwohnraums stellt einen Härtegrund dar.

Einspruch einlegen

Wer sich als Mieter im Recht fühlt, muss sein Ersuchen in Schriftform darlegen und nach § 574 BGB Widerspruch beim Vermieter einlegen. Bei mehreren Mietparteien müssen alle Beteiligten unterschreiben, und das Widerspruchsschreiben muss dem Vermieter grundsätzlich spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist zugegangen sein.

Versäumt es der Vermieter, den Mieter bei Kündigung über die Möglichkeit des Widerspruchs sowie ihre Frist und notwendige Form zu informieren, kann der Mieter auch noch bis zum ersten Termin in einem nachfolgenden Räumungsverfahren widersprechen.

Um sich jedoch die Option einer außergerichtlichen Einigung durch Verweis auf die Sozialklausel nicht zu nehmen, empfiehlt sich ein schnellstmöglicher Widerspruch.

Gütliche Einigung

Grundsätzlich ist es immer ratsam, eine gütliche Einigung mit dem Vermieter anzustreben. Oftmals kann mit einem entgegenkommenden Vermieter zumindest eine befristete Verlängerung, beispielsweise bei einer Schwangerschaft, ausgehandelt werden, ohne dabei Gerichte bemühen zu müssen. Im Zweifelsfall hilft aber nur der Gang vor das Gericht. Eventuell anfallende Gerichts-, Gutachter- und Anwaltskosten kann der Mieter günstigstenfalls mit einer vorhandenen Rechtsschutzversicherung mit Mietrechtsschutz abdecken.

Gang vor Gericht

Selbst wenn die Kündigungsgründe zutreffend sein sollten, kann das Gericht durch ein Urteil das Mietverhältnis auf unbestimmte oder bestimmte Zeit verlängern, wenn die Räumung eine unzumutbare Härte darstellen würde

Die Sozialklausel kann nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn keine außerordentliche fristlose Kündigung vorliegt, und das Gericht kein schuldhaftes Verhalten des Mieters erkennt.


Wird dem Widerspruch von richterlicher Seite stattgegeben, muss das für den Mieter nicht notwendigerweise bedeuten, dass ihm unbefristetes Wohnrecht zugesprochen wird. Vielmehr kann das Gericht auch nur eine zeitlich befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen.


Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Nicht selten können gekündigte Mieter gerade bei langwierigen Rechtsstreitigkeiten eine Abfindung erstreiten, auch dann, wenn ihnen von richterlicher Seite ursprünglich nicht Recht gegeben worden war. 

Sie sollten nach ihrem Auszug alle Belege für Ihren Aus- und Umzug einige Jahre lang aufbewahren. Manchmal stellt sich nach einem Auszug heraus, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war. Können sie dies im Nachhinein beweisen, was nicht einfach ist, ist ihr Vermieter zu Schadenersatz verpflichtet. Die Belege sind dann eine gute Hilfe. Sie sollten sich allerdings nicht zu lange Zeit mit der Anmeldung ihrer Ansprüche lassen, Schadenersatz verjährt in drei Jahren.

aktuelle Urteile

BGH zu Wohnungsstandard: Man bekommt, wofür man bezahlt

Zwei Wohnungsmieter, der eine wohnt in einem Haus aus den sechziger Jahren, der andere in einem Haus aus den siebziger Jahren, machen unter Berufung auf Mängel der Wohnung Gewährleistungsansprüche gegen ihre Vermieterinnen geltend. Sie möchten - unter anderem - wegen der "Gefahr von Schimmelbildung" in den gemieteten Räumen die Feststellung einer Minderung der von ihnen geschuldeten Monatsmiete (§ 536 BGB) sowie die Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung.

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