Fristlose Kündigung wegen Wohnflächenabweichung möglich

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Weist eine gemietete Wohnung eine Wohnfläche auf, die mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, stellt dieser Umstand grundsätzlich einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB dar, der den Mieter zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages berechtigt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, daß infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist, bedarf es nicht (BGH, VIII ZR 142/08).


§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

  1. dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, [...]

Der BGH-Fall

Die Kläger waren seit dem 1. Mai 2002 Mieter einer Wohnung des Beklagten Vermieters. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Januar 2005 erklärten die Kläger die fristlose Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. April 2005, weil die Wohnfläche um mehr als 10 % von der mit "ca. 100 m²" vereinbarten Wohnfläche abweiche. Die Mieter verlangten die Freigabe des verpfändeten Kautionsguthabens, die Herausgabe des Kautionssparbuchs sowie die Rückzahlung von 4.901,11 € überzahlter Miete nebst Zinsen. Sie zogen Ende Januar 2005 aus und zahlten keine Miete mehr. Im Gegenzug verlangte der Vermieter die Zahlung restlicher Miete für Februar bis April 2005 in Höhe von 2.045,55 € nebst Zinsen.

 

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Das BGH-Urteil

Das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens ergab, dass die tatsächliche Wohnfläche lediglich 77,37 m² betrug und um 22,63 % von der vereinbarten Wohnfläche abwich. Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass mit einer Wohnflächenabweichung von 22,63 % ein Mangel gegeben ist, der zur Folge hat, dass den Klägern der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache nicht rechtzeitig gewährt wurde und daher die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB gegeben sind.

Zu Unrecht meint das Landgericht dagegen, die fristlose Kündigung sei unwirksam, weil die Mieter nicht dargelegt hätten, weshalb die nunmehr festgestellte Minderfläche, deren Fehlen den Mietern zuvor nicht aufgefallen sei, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung sein solle. Eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB erfordert jedoch nicht, dass der Mieter darlegt, warum ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zumutbar ist. Für die Wirksamkeit einer Kündigung genügt es vielmehr grundsätzlich, wenn einer der in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB aufgeführten Tatbestände vorliegt.

Bei diesen Kündigungsgründen handelt es sich um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit. Soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind, ist grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben. Da dem Vermieter somit keine restliche Miete für die Monate Februar bis April 2005 zusteht, ist ebenfalls sein Sicherungsbedürfnis an dem Kautionsguthaben entfallen, so dass er zu dessen Freigabe verpflichtet ist.

 

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Allerdings kann das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls verwirkt sein. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn der Mieter bei Mietbeginn oder danach erkennt, dass die tatsächliche Wohnfläche die im Mietvertrag angegebene um mehr als zehn Prozent unterschreitet, ohne dies zeitnah zum Anlass für eine fristlose Kündigung zu nehmen (BGH, Urteil vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08).