BGH - Kündigung wegen verweigerter Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Vermieter von Wohnraum das Mietverhältnis durch Kündigung beenden, wenn sich der Mieter weigert, notwendige Instandsetzungsarbeiten an der Mietsache zu dulden und dem Vermieter bzw. den von ihm beauftragten Handwerkern hierzu Zutritt zu gewähren.
Der BGH entschied, dass eine auf die Verletzung von Duldungspflichten gestützte Kündigung des Mietverhältnisses (§ 543 Abs. 1 BGB*) nicht generell erst dann in Betracht kommt, wenn der Mieter einen gerichtlichen Duldungstitel missachtet oder sein Verhalten "querulatorische Züge" zeigt.

Die Klägerin stellte im Jahr 2010 am Dachstuhl des Gebäudes, in dem sich die an die Beklagten vermietete Wohnung befindet, einen Befall mit Hausschwamm fest. Die Beklagten zogen deshalb im November 2010 in ein Hotel, um der Klägerin Notmaßnahmen zu ermöglichen. Nach Beendigung der Notmaßnahmen erhielten die Beklagten die Wohnung von der Klägerin zurück. Erneuten Zutritt zwecks Durchführung weiterer Maßnahmen zur Schwammbeseitigung gewährten sie der Klägerin zunächst nicht. Unter dem 30. Juni 2011 kündigte die Klägerin deshalb das Mietverhältnis fristlos. Nachdem das Amtsgericht am 1. August 2011 eine einstweilige Verfügung auf Zutritt zu der Wohnung erlassen und diese durch Urteil vom 29. September 2011 aufrechterhalten hatte, wurde der Klägerin am 4. Oktober 2011 der Wohnungszutritt gewährt. Mit Schriftsatz vom 21. November 2011 wiederholte die Klägerin die fristlose Kündigung und stützte sie auch darauf, dass die Beklagten im November 2011 den Zugang zu einem zu ihrer Wohnung gehörenden Kellerraum zwecks Durchführung von Installationsarbeiten verweigert hätten.
 
Die Räumungsklage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass die Mieter die Einzelheiten der Duldungspflicht (§ 554 BGB aF**) zunächst in einem Rechtsstreit klären lassen dürften, ohne befürchten zu müssen, allein deshalb die Wohnung zu verlieren. Der Vermieter müsse deshalb zunächst das Mittel der Duldungsklage wählen; etwas anderes gelte nur bei einem - hier nicht vorliegendem - querulatorischen Verhalten der Mieter.
 
Die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.
 
Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine auf die Verletzung von Duldungspflichten gestützte Kündigung des Mietverhältnisses (§ 543 Abs. 1 BGB*) nicht generell erst dann in Betracht kommt, wenn der Mieter einen gerichtlichen Duldungstitel missachtet oder sein Verhalten "querulatorische Züge" zeigt. Eine derartige "schematische" Betrachtung, auf die das Landgericht abgestellt hat, lässt außer Acht, dass Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen für die Erhaltung des Mietobjekts und seines wirtschaftlichen Werts von wesentliche Bedeutung sein können, so dass ein erheblichen wirtschaftliches Interesse des Vermieters an der alsbaldigen Durchführung derartiger Maßnahmenbestehen kann. Zudem steht die schematische Betrachtungsweise des Landgerichts nicht im Einklang mit der gesetzlichen Vorschrift zur fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB). Denn danach ist zu prüfen, ob für den Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist."
 
Es hätte deshalb festgestellt werden müssen, um welche Arbeiten es im Einzelnen ging, wie umfangreich und dringend sie waren, welche Beeinträchtigungen sich hieraus für die Beklagten ergaben, welche Bedeutung die alsbaldige Durchführung der Arbeiten aus wirtschaftlicher Sicht für die Klägerin hatte und welche Schäden und Unannehmlichkeiten der Klägerin dadurch entstanden sind, dass die Beklagten ihr den mit Schreiben vom 8. April 2011 zwecks Durchführung von Instandsetzungsarbeiten begehrten Zutritt erst rund ein halbes Jahr später unter dem Eindruck des die einstweilige Verfügung bestätigenden Urteils des Amtsgerichts vom 29. September 2011 gewährt haben.
 
Hinsichtlich der von den Beklagten geltend gemachten Gegenrechte und einem darauf gestützten Zurückbehaltungsrecht kam es – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht darauf an, ob das Vorbringen der Beklagten "plausibel" war, sondern darauf, ob die geltend gemachten Gegenrechte bestanden und die Beklagten berechtigten, die Gewährung des Zutritt von der Erfüllung dieser (etwaigen) Ansprüche abhängig zu machen.
 
Die Sache ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.
 
* § 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
 
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. 2Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. […]
 
** § 554 BGB aF Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen
 
Der Mieter hat Maßnahmen zu dulden, die zur Erhaltung der Mietsache erforderlich sind. […]
 
Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 281/13
 
LG Berlin - Urteil vom 14. August 2013 – 65 S 327/12
 
AG Berlin Tempelhof-Kreuzberg - 12 C 192/11 + 20 C 440/11
 
Karlsruhe, den 15. April 2015
 
Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 15.04.2015.

 

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